Das einzige Land, das von der Weltkrise unberührt blieb, war das Sechstel der Erde, das man seit dem Jahre 1917 vorsätzlich vom Weltgeschehen abgeschnitten hatte: die Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken.
Während die übrige Menschheit sich in Krämpfen wand, begann in der Sowjetunion einer der großartigsten wirtschaftlichen und industriellen Entwicklungsprozesse der Geschichte. Stalins erster Fünfjahresplan rüttelte das alte Rußland zu unerhörter schöpferischer Arbeit auf. Ganze Städte wuchsen aus der Öden Steppe; neue Bergwerke und Fabriken entstanden. Millionen von Bauern verwandelten sich in gelernte Arbeiter, Ingenieure, Wissenschaftler, Ärzte, Architekten und Lehrer. In wenigen Jahren kam das Land um ein Jahrtausend vorwärts; die Muschiks, deren Ahnen seit undenklichen Zeiten den müden Rücken über primitive Sicheln, Hacken und hölzerne Pflüge gebeugt hatten, bearbeiteten jetzt den reicher gewordenen Boden mit Traktoren und Mähdreschern; die Ernteschädlinge wurden von Flugzeugen aus mit chemischen Mitteln bekämpft. Und inmitten dieser gigantischen Bemühungen um die Erneuerung der Nation wuchs eine Generation auf, die nichts von der entwürdigenden Tyrannei der Zarenherrschaft wußte…
Zur gleichen Zeit erledigte die Sowjetregierung ihre inneren Feinde. Durch drei aufeinanderfolgende Prozesse wurde die Torgprom-Intrige, die letzte ernst zu nehmende Anstrengung des englisch-französischen Imperialismus und der zaristischen Gegenrevolution, aufgedeckt und vereitelt.
Am 28. Oktober 1930 wurde Professor Ramsin und ein großer Teil der Führer und Mitglieder der Industrie-Partei festgenommen. Die GPU veranstaltete in allen Teilen der Sowjetunion gleichzeitig Razzien, die zur Verhaftung zahlreicher illegaler Anhänger der Sozialrevolutionäre, Menschewiki und Weißgardisten sowie verschiedener polnischer, französischer und rumänischer Geheimagenten führten.
Der Prozeß gegen die Führer der Industrie-Partei fand vor dem Obersten Gerichtshof der UdSSR in Moskau statt und dauerte vom 25. November bis zum 7. Dezember 1930. Den acht Angeklagten, zu denen Professor Ramsin und Viktor Laritschew gehörten, wurden folgende Vergehen zur Last gelegt: Teilnahme an ausländischen Komplotten gegen die Sowjetunion; Durchführung von Spionage- und Sabotageakten und der Versuch, die Sowjetregierung zu stürzen.
Die Angeklagten konnten das Beweismaterial, das die Agenten des sowjetischen Geheimdienstes gesammelt hatten, nicht widerlegen; sie brachen, einer nach dem anderen, zusammen und gestanden ihre Schuld ein.
Sie machten genaue Angaben über die Einzelheiten ihrer Spionage- und Sabotagetätigkeit und erbrachten durch ihre Aussagen den Beweis für die Beteiligung Sir Henri Deterdings, Oberst Joinvilles, Leslie Urquharts, Raymond Poincares und anderer prominenter europäischer Militärs, Diplomaten und Geschäftsleute an den Umtrieben der Industrie-Partei und der Torgprom.
Fünf Angeklagte, darunter Professor Ramsin und Viktor Laritschew, wurden wegen Landesverrates zum Tod durch Erschießen verurteilt. Die drei Techniker, die nur Befehle entgegengenommen und ausgeführt hatten, erhielten je zehn Jahre Gefängnis.[40]
Kurz nachdem die Industrie-Partei ein unrühmliches Ende gefunden hatte, griffen die Sowjetbehörden neuerlich ein. Am l. März 1931 wurden die vierzehn Anführer einer weitverzweigten menschewistischen Sabotageorganisation verhaftet und dem Obersten Gerichtshof in Moskau überantwortet.[41]
Unter den Angeklagten befanden sich auch einige hochgestellte Sowjetbeamte, die wichtige Posten in administrativen und technischen Körperschaften bekleideten. Diesen ehemaligen Menschewiki, die in den ersten Tagen der Sowjetherrschaft ihre feindliche Haltung den Bolschewiki gegenüber zum Schein aufgegeben hatten, war es durch geschickte Manöver und Zusammenarbeit mit der Industrie-Partei und anderen sowjetfeindlichen Geheimverbänden gelungen, einflußreiche Regierungsstellen zu ergattern. Einer der menschewistischen Verschwörer, Groman, sicherte sich einen leitenden Posten in der Staatlichen Plankommission (Gosplan) und versuchte in dieser Eigenschaft, die Verwirklichung des ersten Fünfjahresplanes durch Aufstellung falscher Statistiken und Herabsetzung des Produktionsprogramms der lebenswichtigen Industrien zu gefährden.
Zwischen 1928 und 1930 flössen dem Zentralkomitee der menschewistischen Geheimorganisation, dem sogenannten „Unionsbüro der Menschewiki“, aus verschiedenen ausländischen Quellen insgesamt etwa 500000 Rubel zu. Den größten Beitrag leistete die Torgprom, aber auch andere sowjetfeindliche Gruppen machten namhafte Schenkungen und unterhielten enge Beziehungen zu den Verschwörern. Die Menschewiki wurden von der Zweiten Internationale - der Organisation der sowjetfeindlichen sozialdemokratischen und sozialistischen Arbeiterparteien - rückhaltlos unterstützt.
Die Verbindung mit den sowjetfeindlichen Kreisen des Auslandes wurde nach Aussage der Angeklagten in erster Linie durch Raphail Abramowitsch hergestellt, der in der russischen menschewistischen Partei eine führende Rolle gespielt hatte und nach Ausbruch der Revolution nach Deutschland geflohen war. Einer der Hauptverschwörer, Wassili Scher, erklärte:
„Im Jahre 1928 wurde den Mitgliedern des „Unionsbüros“ mitgeteilt, daß Abramowitsch demnächst in Rußland eintreffen werde… Abramowitsch wies auf die Notwendigkeit hin, das Hauptgewicht unserer Arbeit auf die Beeinflussung der hochgestellten Sowjetbeamten zu verlegen. Diese Gruppen sollten endlich fester zusammengeschlossen und zu einer merklichen Beschleunigung ihrer destruktiven Arbeit veranlaßt werden.“
Ein anderer Verschwörer, Lasar Salkind, sagte aus:
„… Abramowitsch kam zu dem Schluß, daß wir in den verschiedenen Zweigen des sowjetischen Wirtschaftssystems unbedingt zu aktiven Sabotagemethoden übergehen müßten, um die sowjetische Wirtschaftsführung zu stören und in den Augen der Arbeiterklasse und der Bauernmassen zu diskreditieren. Als den zweiten Grundpfeiler des Kampfes gegen die Sowjetmacht bezeichnete Abramowitsch die militärische Intervention.“[42]
Am 9. März 1931 fällte der Oberste Gerichtshof der UdSSR seinen Spruch. Die angeklagten Menschewiki wurden zu Gefängnisstrafen von fünf bis zu zehn Jahren verurteilt.
In der Nacht zum 11. März 1933 um 9 Uhr 30 holte die Sowjetregierung zum endgültigen Schlag gegen die letzten Überreste der Torgprom-Verschwörung aus. Die GPU verhaftete sechs englische und zehn russische Ingenieure, die sämtlich in dem Moskauer Büro des britischen Elektrobaukonzerns Metropolitan-Vickers beschäftigt waren. Die Engländer und ihre russischen Helfershelfer wurden beschuldigt, im Auftrag des britischen Geheimdienstes Spionage und Sabotage betrieben zu haben.
Der Hauptvertreter der Firma Vickers in Moskau, Hauptmann C. S. Richards, war, kurz bevor die Verhaftungen erfolgten, plötzlich nach England abgereist. Er hatte seit 1917 als britischer Agent in Rußland gearbeitet. Zu Beginn seiner Tätigkeit beteiligte er sich als Leiter einer Abteilung des britischen Geheimdienstes an den sowjetfeindlichen Intrigen, die der Besetzung von Archangelsk vorangingen. Später machte er das Moskauer Büro der Metro-Vickers zur Zentralstelle der britischen Spionage in Rußland.
Unter den von den Sowjetbehörden in Moskau verhafteten englischen „Technikern“ befand sich ein alter Kollege Hauptmann Richards aus der Zeit der Archangelsk-Expedition, Allan Monkhouse. Monkhouse behauptete, an den Vergehen, die den Angeklagten zur Last gelegt wurden, völlig unbeteiligt zu sein, gab jedoch seine frühere Beziehung zu Hauptmann Richards zu:
„Ich begegnete Richards 1917 in Moskau und später in Archangelsk. Ich bestätige, daß er dort im Rang eines Hauptmanns beim Geheimdienst tätig war. Es ist mir bekannt, daß Mr. Richards sich im April oder Mai 1918 in Moskau aufhielt. Ich weiß nicht, zu welchem Zweck er nach Moskau reiste, aber ich weiß aus seinen eigenen Berichten, daß er damals heimlich über die finnische Grenze ging. Im Jahr 1923 wurde er Direktor bei der Metropolitan-Vickers Electrical Export Company. Im selben Jahr kam er nach Moskau, um über Lieferungen zu verhandeln.“
Monkhouse war 1924 neuerlich nach Rußland geschickt worden, um unter Richards Anleitung im Moskauer Büro der Firma Vickers zu arbeiten.
Leslie Charles Thornton, der Chef-Bauingenieur der Firma Vickers, war der Sohn eines reichen zaristischen Textilfabrikanten und gebürtiger Russe. Nach der Revolution wurde er Engländer und trat in den britischen Geheimdienst ein. Zwei Tage nach seiner Verhaftung unterzeichnete er eine schriftliche Aussage folgenden Inhalts:
„Unsere gesamte Spionagetätigkeit auf sowjetrussischem Boden untersteht dem britischen Geheimdienst. Unser direkter Vorgesetzter ist der Agent C. S. Richards, der den Posten eines Geschäftsführers der Metropolitan-Vickers Electrical Export Company, Ltd. bekleidet. Die Spionageoperationen auf sowjetrussischem Gebiet wurden von mir und Monkhouse geleitet. Wir sind beide Vertreter der obengenannten englischen Firma, die der Sowjetregierung auf Grund offizieller Verträge Turbinen und elektrische Geräte liefert und technische Hilfe leistet. Gemäß den Instruktionen, die ich von C. S. Richards in Moskau erhielt, wurden die englischen Angestellten allmählich in die Spionageorganisation einbezogen und beauftragt, bestimmte Informationen zu beschaffen.“
Auch der Vickers-“Ingenieur“ William MacDonald bestätigte, daß die Anklage zu Recht bestehe:
„Der durch Metropolitan-Vickers getarnte Spionagedienst in der UdSSR wurde von Mr. Thornton geleitet, der als Chef-Ingenieur in Moskau arbeitete. An der Spitze des Moskauer Hauses stand Mr. Monkhouse, der ebenfalls in die gesetzwidrige Tätigkeit Mr. Thorntons verwickelt war. Wenn Mr. Thornton auf Reisen ging, wurde er von Ingenieur Cushny, einem Offizier der britischen Armee, jetzt Ingenieur der Firma Metropolitan-Vickers, begleitet und bei seiner Spionagearbeit unterstützt. Diese Gruppe leistete den größten Teil der Spionagearbeit in der Sowjetunion.“
Die Verhaftung der Vickers-Ingenieure rief in England eine Welle von Protesterklärungen hervor. Ministerpräsident Stanley Baldwin erklärte kategorisch, ohne die Veröffentlichung der Anklage und des Beweismaterials abzuwarten, die verhafteten Engländer seien vollkommen unschuldig. Einige konservative Abgeordnete drängten neuerlich auf Abbruch der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Der englische Botschafter in Moskau, Sir Esmond Ovey, ein Freund Sir Henri Deterdings, erschien zornbebend im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten und forderte Maxim Litwinow auf, die Gefangenen sofort ohne Untersuchung freizugeben, wenn er „schwerwiegende Auswirkungen auf unsere gegenseitigen Beziehungen“ vermeiden wolle.
Als die Verhandlung endlich am 12. April im Säulensaal des ehemaligen Moskauer Adelsklubs eröffnet wurde, behauptete die „Times“ in ihrer Ausgabe vom gleichen Tage, alle Angeklagten stimmten den Beschuldigungen liebedienerisch zu. Der „Observer“ vom 16. April bezeichnete den Prozeß als eine „im Namen der Gerechtigkeit veranstaltete Tortur, die keinerlei Ähnlichkeit mit den in zivilisierten Ländern üblichen Gerichtsverfahren habe.“ Der „Evening Standard“ beschrieb den sowjetischen Verteidiger Braude als typischen Vertreter „jener Sorte von Juden, die man allabendlich in der Shaftsbury Avenue antreffen kann“.
Das englische Publikum bekam zu hören, daß in Moskau gar keine ordnungsgemäße Verhandlung stattfinde, daß man den britischen Ingenieuren durch die furchtbarsten Torturen Geständnisse zu erpressen versuche. Der „Daily Express“ vom 20. März klagte: „Unsere Landsleute erleben die Schrecken der russischen Gefängnisse!“ In der „Times“ vom 17. April hielt es: „Wir fragen uns mit größter Besorgnis, was in der Zeit zwischen den Verhandlungstagen mit Mr. MacDonald geschieht.“ Lord Rothermeres „Daily Mail“, die einige Monate später daß halboffizielle Parteiorgan des englischen Faschistenführers Sir Oswald Mosley wurde, erzählte ihren Lesern von einer geheimnisvollen „tibetanischen Droge“, die von der GPU benützt werde, um die Willenskraft ihrer „Opfer“ zu brechen.
Später erklärten allerdings sämtliche englischen Angeklagten, sie seien von den Sowjetbehörden sehr höflich und rücksichtsvoll behandelt worden. Keiner von ihnen war irgendwelchen Zwangsmaßnahmen oder Verfahren des dritten Grades unterworfen worden. Allan Monkhouse, der trotz erdrückenden Beweismaterials seelenruhig und konsequent jede Mitwisserschaft leugnete, äußerte sich über die Verhöre bei der GPU im „London Dispatch“:
„Die Leute, die mich verhörten, waren außerordentlich freundlich zu mir; ihre Fragestellung war sehr vernünftig. Es waren erstklassige Fachleute, die sich auf ihre Arbeit verstanden. Das GPU- Gefängnis ist schlechthin musterhaft: peinlich sauber, ordentlich und gut organisiert. Dies war die erste Verhaftung meines Lebens, aber ich habe englische Gefängnisse besucht und kann bezeugen, daß man im GPU-Gefängnis bedeutend besser untergebracht ist. Die GPU-Beamten sorgten in jeder Weise für mein Wohlergehen.“
Trotzdem erließ die englische Regierung unter dem Druck der Konservativen Partei ein Einfuhrverbot für sämtliche russischen Importwaren. Der Handelsverkehr zwischen den beiden Ländern hörte auf…
Am 15. April widerrief Leslie Thomton nach einer Privatunterredung mit englischen Repräsentanten plötzlich sein schriftliches Geständnis. In der Gerichtsverhandlung bestätigte er, daß die von ihm niedergelegten Tatsachen Im wesentlichen der Wahrheit entsprächen; aber das Wort „Spion“ bezeichnete er als unzutreffend. Bei dem Versuch, die ursprüngliche Verwendung dieses Wortes zu erklären, behauptete er, sich zur Zeit der Aussage in einem „Erregungszustand“ befunden zu haben. Nach öffentlicher Befragung durch Staatsanwalt Wyschinski mußte Thornton zugeben, daß er das Geständnis „aus freien Stücken“, ohne jeden Druck oder Zwang, in seinen eigenen Worten niedergelegt hatte:
Wyschinski: „Wurde irgendeine sinnentstellende Änderung vorgenommen?“
Thornton: „Nein, Sie haben nichts geändert.“
Wyschinski: „Aber vielleicht Roginski (der Zweite Staatsanwalt)?“
Thomton: „Nein.“
Wyschinski: „Vielleicht hat die GPU Ihre Aussage abgeändert?“
Thornton: „Nein, ich habe sie mit eigener Hand unterzeichnet.“
Wyschinski: „Und mit dem eigenen Verstand? Haben Sie bei der Niederschrift alles überdacht und erwogen?“
Thornton: (antwortet nicht).
Wyschinski: „Und wessen Verstand denkt jetzt für Sie?“
Thornton: „Ich bin jetzt in einer anderen Verfassung.“
Auch William MacDonald zog seine ursprünglichen Erklärungen nach einer Privatunterredung mit britischen Vertretern in Moskau plötzlich zurück. Als ihm das von den Sowjetbehörden gesammelte Beweismaterial in Erinnerung gebracht wurde, änderte er wiederum seine Haltung und bekannte sich zu seiner Schuld. Seine letzte Äußerung im Gerichtssaal lautete: „Ich habe meine Schuld eingestanden und nichts hinzuzufügen.“
Am 18. April fand die Urteilsverkündung statt. Die an dem Komplott beteiligten Russen wurden mit einer einzigen Ausnahme schuldig befunden und zu Gefängnisstrafen von drei bis zehn Jahren verurteilt. Der englische Staatsangehörige Albert Gregory wurde wegen mangelnder Beweise freigesprochen. Die Schuld der anderen fünf englischen Ingenieure galt als erwiesen. Monkhouse, Nordwall und Cushny wurden aus der Sowjetunion ausgewiesen. Leslie Thornton und William MacDonald erhielten Gefängnisstrafen von zwei bzw. drei Jahren. Die Strafen waren milde, der Prozeß wurde in abgekürztem Verfahren zum Abschluß gebracht. Die Sowjetregierung hatte ihr Ziel erreicht; die Reste der Torgprom-Verschwörung und die Zentrale des englischen Spionagedienstes in Rußland waren vernichtet. Eine Kompromißlösung kam zustande: die Handelsbeziehungen zwischen der Sowjetunion und England wurden wieder aufgenommen, die angeklagten Engländer - auch Thornton und MacDonald - wurden in ihre Heimat zurückbefördert.
Indessen war am Horizont der internationalen Politik eine neue Erscheinung aufgetaucht, die weit größere Gefahren in sich schloß als die Feindschaft der englischen Konservativen gegen die Sowjetunion:
Adolf Hitler hatte in Deutschland die Macht ergriffen.
ANMERKUNGEN
Zwei Tage nach Abschluß des Prozesses suchten Professor Ramsin und die vier anderen zum Tode Verurteilten um Aufschub der Urteilsvollstreckung an. Das Gericht gab ihrer Bitte statt und wandelte das Todesurteil in eine zehnjährige Gefängnisstrafe um, weil Ramsin und seine Kollegen nur die Werkzeuge der eigentlichen Verschwörer gewesen waren. In den folgenden Jahren gewährten die Sowjetbehörden Professor Ramsin die Möglichkeit, seine wissenschaftlichen Forschungen in vollem Umfange fortzusetzen. Er wurde schließlich ein überzeugter Anhänger der sowjetischen Lebensform und bereicherte das Industrie-Programm der Sowjetunion durch wertvolle Beiträge. Am 7. Juli 1943 erhielt Professor Ramsin für die Erfindung eines vereinfachten Turbogenerators, der allen ähnlichen Erzeugnissen der Welt überlegen sein soll, den Lenin-Orden und den Stalin-Preis im Werte von 150000 Rubel. Auf Grund einer vom Kreml herausgegebenen Verordnung trägt der Turbogenerator den Namen des Erfinders.
Die Menschewiki waren ursprünglich eine Fraktion der Sozial-Demokratischen Arbeiterpartei Rußlands, der ersten marxistischen Organisation dieses Landes. Auf dem II. Parteitag der SDAPR, der 1903 in London stattfand, zerfiel diese Organisation in zwei rivalisierende Gruppen, aus denen später zwei selbständige Parteien hervorgingen. Lenins Anhänger hießen Bolschewiki (von bolschinstwo = Mehrheit); Lenins Gegner wurden Menschewiki genannt (von menschinstwo = Minderheit). Die Bolschewiki bezeichneten sich später auf Lenins Vorschlag als Kommunisten, der offizielle Name der Partei der Bolschewiki lautete: Kommunistische Partei Rußlands (Bolschewiki). Die Menschewiki entsprachen den europäischen Sozialdemokraten und Sozialisten, mit denen sie durch persönliche und organisatorische Beziehungen verbunden waren.
Die Zweite Internationale brandmarkte den Menschewiki-Prozeß als „politische Verfolgung“. Abramowitsch veröffentlichte eine Erklärung, in der er seinen Aufenthalt in der Sowjetunion und seine Teilnahme an Geheimunterredungen ableugnete. Er gab jedoch zu, daß es dort „eine illegale Organisation unserer Partei gab, die durch ihre Vertreter oder einzelne Mitglieder in brieflicher und organisatorischer Verbindung mit unserer Berliner Auslandsdelegation stände.“
Abramowitsch begab sich später nach den Vereinigten Staaten. Über seine dortige Tätigkeit s. XXIII. Kapitel.
Kapitel XII. <-- --> Kapitel XIV.